So fest wie Ziegenhain – das war in Hessen einmal eine gängige Redens art. Sie war als Kompliment gemeint. Denn der Ort in der Schwalm Niederung, den Landgraf Philipp zwischen 1537 und 1546 zu einer mächtigen Festung ausbauen ließ, galt mit seiner dicken Ringmauer, den vier Rondellen, den Wällen und dem doppelten Wassergraben als un einnehmbar. Zumal das Vorland durch Schleusen mit dem Wasser der Schwalm geflutet werden konnte. Im Inneren befand sich der komplette Stadtkern, dazu das Schloss der einstigen Grafen von Ziegenhain.
Im System der hessischen Verteidigungsanlagen spielte Ziegenhain neben Kassel, Gießen, Rüsselsheim und Rheinfels eine Schlüsselrolle. Ziegenhain diente als zentrales Versorgungsdepot, dort wurden auch der hessische Staatsschatz, das herrschaftliche Archiv und eine Kriegskasse des Schmalkaldischen Bundes verwahrt. Hinter den dicken Mauern kerkerte man zudem politische Gefangene ein, so den Herzog Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, den Landgraf Philipp und Sachsens Kurfürst Johann Friedrich I. 1542 aus seinem Land vertrieben. Nachdem die beiden in der Folge dann den Schmalkaldischen Krieg gegen Kaiser Karl V. verloren hatten, büßte Philipp mit Gefangenschaft, mit hohen Geldzahlungen und der Schleifung aller Festungen – außer Ziegenhain. Der Sage nach leistete dessen Kommandant Heinz von Lüder heroisch Widerstand gegen kaiserliche Pressionen. Weshalb der Landgraf ihn nach seiner Rückkehr aus der kaiserlichen Haft angeblich aufhängen lassen sollte. Er tat das vor großem Publikum symbolisch mit einer goldenen Ehrenkette, ohne ihm weh zutun. Die Kette erhielt von Lüder anschließend als Geschenk.
In die Geschichte der Reformation ging Ziegenhain zudem mit einer geheimen Theologen-Konferenz ein. Sie verhandelte in der Festung 1539 die berühmte Ziegenhainer Zuchtordnung, mit der unter anderern die Konfirmation eingeführt wurde (Vgl. S. 12). Die Wahrung von Zucht und Ordnung war in ganz anderem Sinne auch 1842 das Ziel der Obrigkeit, als im Schloss und in den umliegenden Gebäuden ein Zuchthaus eingerichtet wurde. Bis heute bildet es als Justizvollzugsanstalt, mit Stacheldraht gesichert, das Zentrum der Stadt. Ringsum sind freilich die historischen Bauten gut erhalten. Ein Modell der alten Wasserfestung ist im Museum der Schwalm zu sehen, die echten Bollwerke wurden schon 1807 von den Truppen Napoleons zerstört. Was übrig blieb, zum Beispiel der innere Wassergraben, ist immer noch eindrucksvoll genug – die besterhaltene Festungsanlage dieser Art in Deutschland. An die Reformationszeit erinnert auch ein Pilgerpfad ,,Katechismus auf dem Weg“.
Quelle: „Hessen, Pionierland der Reformation“ von Klaus Brill